Vom Eise befreit …

Wer bisher noch daran gezweifelt hat, dürfte jetzt absolut überzeugt sein: Der Frühling hat sich tatsächlich eingestellt. Die Vögel zwitschern ihn von den Bäumen, und Tulpen, Narzissen, Primeln, Tausendschön und viele blühende Sträucher malen ihn in die Gärten und an die Häuser. Der warmen Jacken und Wintermäntel überdrüssig, wagen sich die ersten Sonnenanbeter schon leicht geschürzt ins Freie – in der lauen Luft der nachmittäglichen Sonnenstunden sollen angeblich bereits die ersten kurzen Hosen, ärmellosen T-Shirts und Trägerkleidchen gesichtet worden sein.
Schade nur, dass der Einzelhandel angesichts von Corona nicht von den herrlichen Frühlingstagen profitieren kann. Waren das noch Zeiten, als allerorts in Modeschauen die neuen Angebote der Saison präsentiert wurden und so zumindest bei der weiblichen Hälfte der Kundschaft die Sehnsucht nach einem neuen Outfit geweckt und prompt den Umsatz belebt haben.

Doch bleiben wir unverzagt: Jetzt, da die Sonnenstrahlen unsere Seele aus dem Winterschlaf erwecken, beginnt auch wieder unseren Optimismus zu sprießen und so üppig zu wachsen wie das Gras auf dem Rasen. Das lässt erkennen, wie sehr wir Menschen auch in diesem hochtechnisierten Zeitalter noch immer ein Stück Natur geblieben sind.

Er ist’s doch nicht

Haben Sie auch schon davon gehört?: Angeblich soll der Frühling beginnen. So steht es jedenfalls im Kalender. Aber von wegen „lässt sein blaues Band“ – hier irrt der liebe Eduard Mörike. Durch die Lüfte flattern höchstens alte Blätter und Paperfetzen, aufgepeitscht von den umfangreichen Sturmtiefs über dem Nordmeer, die uns derzeit ständig unbeständiges Wetter bescheren. Und die wohlbekannten Düfte, die das Land streifen, entstammen vornehmlich den Produktionsstätten und Dieselabgasanlagen und lassen allenfalls kommende Erkrankungen der Atemwege erahnen.

Vergeblich mühen sich einstweilen Krokusse, Märzveilchen und Forsythien um etwas Farbe. Dauergüsse, ab und zu vermischt mit etwas Schnee oder Hagel, und dunkle Wolken legen unbarmherzig einen grauen Schleier über Stadt und Land – und schließlich auch aufs Gemüt.

Während die Seele nach der Sonne lechzt, muss sich der Leib noch immer in unförmige Rollkragenpullis, Vliesjacken und dicke Socken hüllen. Die Sehnsucht, sich jetzt endlich in ein luftigleichtes Frühlinsgewand zu hüllen, verwandelt ein Blick aufs Thermometer auf der Stelle in lautes Zähneklappern.

Doch noch ist nicht aller Frühlingstage Abend. Vielleicht irren sich die Damen und Herren Meteorologen ja, die auch für nächsten Tage keine Wetterbesserung vorhersagen wollen. Und schließlich bleibt ein letzter Trost: In drei Monaten ist Sommeranfang.

Geschenkt

Sie kommen per Post, per E-Mail oder landen als Wurfsendung im Briefkasten: die sogenannten Gratis-Geschenke. Und sie sind eine Zumutung, zumindest in sprachlicher Hinsicht. Denn das aus dem Lateinischen stammende Wort gratis bedeutet ja nichts anderes als kostenlos. Und was anderes sollte ein Geschenk sein als eine kostenlose Gabe. Wozu also dieses unerträgliche, jedes Sprachgefühl missachtende Doppelgemoppel? Bei mir landen diese Angebote jedenfalls unverzüglich im Papierkorb – ob analog oder digital. Und verfehlen somit eindeutig ihren Zweck. Sie sind nämlich nicht nur gratis, sondern völlig umsonst.